Freitag, 22. April 2016

Die Suche nach dem Zinn des Lebens

Wortspiel verstanden? "S"inn des Lebens? Eine super Wuchtel! Oder auch nicht, ich weiß. Aber ein besserer Flachscherztitel ist mir nicht eingefallen.

EDIT: Die Kanne hat jetzt einen Umbau erfahren. Die Daumenhandhabe habe ich entfernt, den Übergang zum Deckel neu gestaltet und dann hab ich das ganze Stück noch gründlich aufpoliert. So hat es jetzt den silbernen, spiegelnden Glanz den Zinnkannen auf den naturalistischen Bildern des 15.Jhdt.s allgemein aufweisen.

Nun da die Spannung aber eh schon draußen ist, kommen wir gleich zur Sache. Also .. Sache:

Das neue IG14-Alkoholikeraccessoire (einmal links, vor dem Umbau und dann rechts, nach Umbau und dem Polieren)

Zinnkannen sind im 14.Jahrhundert so richtig im Kommen. Gehobene Haushalte, und auch ein solcher gehört zur Darstellungspalette der IG14, machten langsam aber sicher von der Möglichkeit Gebrauch das allgegenwärtige Holz- und Keramikgeschirr durch Zinngeschirr zu ergänzen.

Belege für Zinnkannen sind rar, um so schöner ist daher der Fund einer Zinnkanne in einem verfüllten Brunnen in Budapest (übrigens der gleiche Brunnen dem auch das Salzkästchen entrissen wurde) der in das 14.Jahrhundert datiert werden kann.

Der Fund zeigt eine sehr schön gestaltete und mit feinen Details gearbeitete Kanne:

Zinnkanne aus dem Brunnen von Buda, 1350-1375

Anhand welcher Kriterien (jetzt mal abgesehen von der Keramikdatierung die den Fund so schön einordenbar macht) könnte man also so eine Kanne historisch belegbar zum Einsatz bringen?
Schließlich geht die Darstellung unserer Gruppe ja bis in den bürgerlichen Bereich hinein, klammert aber die Sachkultur des Adels aus. Also galt es die Kanne im Zusammenhang mit dem damaligen Alltag zu bringen.

Eine in der Publikation erwähnte Silberkanne aus Schloss Braunfels vom Ende des 13.Jahrhunderts zeigt zwar praktisch idente Dimensionen und Körpergestaltung (und war ein schöner Beleg für die Nachahmungsbegeisterung der bürgerlichen oder dienstadeligen Schichten wie sie auch bei Scheuern oder Silberbechern zu beobachten ist) war aber schon alleine durch das Material als Quelle für bürgerlichen Gebrauch nicht nutzbar.

Auch eine sehr frühe Bildquelle, eine Servierszene aus dem Codex Balduineus (1.Hälfte 14.Jahrhundert) war auf Grund des hochherrschaftlichen Umfelds der Szene nicht brauchbar.

Mehr durch Zufall stieß ich dann bei der Durchsicht einer Handschrift auf eine wunderbare Szene die mir den Durchbruch brachte, wenn man so theatralisch werden will (was bei mir öfters der Fall ist).

 BNF MSS Latin 10484, datiert 1325-1326, Entstehungsort: Paris

Da sitzt da so ein alter, bärtiger Knacker (Wie? Das erinnert euch an wen?) unter einem großen Filzhut (Nein, ich bin das echt nicht!) und trocknet sich die Füße am Feuer. Eine recht übliche, klassisch ikonographische Szene wenn man sich mittelalterliche Monatsbilder der Wintermonate ansieht.

Und neben dem guten Mann steht: Oh welch Wunder! Eine Kanne, mit breiten Standfuß und stark verjüngtem Unterkörper. Auch ein gewölbter Decke ist zusehen, genau wie der im bauchigen Teil angesetzte Henkel. Und reich sieht der Kerl jetzt nicht aus! Da erwachte natürlich sofort das Jagdfieber in mir.

Also marschierte ich los (virtuell natürlich) und suchte wie verrückt nach Zinnkannen die dieser Form entsprechen sollten. E-Bay (da sind hunderte Kannen im Angebot) und Reenactmentshops hab ich abgegrast aber erst eine Suchanzeige auf Facebook brachte mir das Ergebnis das ich jetzt vor mir habe:

Nochmal das Kanderl (einmal links, vor dem Umbau und dann rechts, nach Umbau und dem Polieren)

Mit der Form bin ich schon mal sehr zufrieden, obwohl der Henkel nicht ganz den schönen Schwung des Originals hat. Aber wenigstens ist der Ansatz an seinen beiden Enden sehr entsprechend.
Auch der gewölbte Deckel entspricht den historischen Vorgaben und weist ebenfalls einen schmalen geraden Rand auf.

Ein Detail das es jetzt zu entfernen gilt ist die Daumenhandhabe des Deckels, denn weder der Brunnenfund, noch die Silberkanne oder die Abbildungen weisen eine solche auf. Das werd ich dann nächste Woche angehen.

Details des Deckels und der Daumenhandhabe (einmal vor dem Umbau und dann rechts, nach Umbau und dem Polieren)

Dann sieht der Griff zwar nicht mehr wie eine niedliche Schnecke aus ist aber dem historischen Original entsprechend näher.


Wirklich unschlüssig bin ich hingegen bei dem dekorativen Zapfen in der Deckelmitte. Sowohl das Original aus Budapest als auch die Abbildung aus dem Codex Balduineus zeigen eine dekorative Verzierung, die französische Buchmalerei (auch auf einem weiteren Bild ist eine solche Kanne zu sehen) hingegen zeigen keine Dekoration.

Ich würde ja dazu tendieren auch den Zapfen zu entfernen, weil er künstlerisch einfach nicht recht zur Kanne passt und um die schlichte Optik der französischen Abbildung zu erzielen. Aber ohne Handhabe für den Daumen: Wie krieg ich dann den Deckel auf? Ein Problem über das ich nachdenken muss. Nutzt ja nix wenn mir unsere Leute dann am Abend sagen: "Super Kanne! So schön quellennah! Aber wennst die nicht gleich aufmachst und was einschenkst kannst du eine rektale Applikation von dem Drum in Betracht ziehen .."

So sind sie halt ..