Donnerstag, 6. Februar 2014

Gestatten? Niklas, Klaubholzsammler!

Es ist ja immer Gelegenheit für eine neue Darstellung ... und diese eine, neue hat besonders viel Spaß gemacht!

Wie schon angekündigt haben wir am letzten Wochenende eine Fotoserie im Schnee gemacht und natürlich war mir dafür ein entsprechender Anlass wichtig! Einfach sinnlos im Schnee rumzustehen macht im Blick auf die historische Realität ja wenig Sinn, also haben wir den ganzen Fototermin unter ein vertretbares, historisches Motto gestellt das richtig gut zur jetzigen Jahreszeit passt: Feuerholzbeschaffung!

Das mit dem Holz für Ofen und, meist offene, Feuerstelle in den Häusern des hochgotischen Wiens ist ja durch viele schlechte Mittelalterfilme schon recht schlecht beleuchtet. Da werden nämlich gewaltige Scheite in noch gewaltigeren Kaminen verbrannt, das man glaubt die wollen Erz verhütten.

In Wahrheit wurde das Haus des 14.Jahrhunderts mit Klaub- und Kleinholz beheizt, das sich im englischsprachigem Raum unter der Bezeichnung "Wood" zusammenfassen lässt. Wie bei vielen anderen Beispielen aus dem englischen Mittelalter findet sich nämlich eine Sprachdualität zwischen dem herrschaftlich gebrauchten Französisch und dem vom einfachen Volk verwendeten, angelsächsisch dominierten Englisch. In diesem Fall haben wir das germanischstämmige Wort "Wood" für alles Strauch- und Bruchholz dem gegenüber das wertvolle Bauholz, "Timber", steht, dessen Sprachwurzel im lateinisch-französischen liegt. Dies spiegelte sich auch in der Verwendung des Holzes wieder, denn "wood" war der einfachen Bevölkerung in der Verwendung erlaubt während "timber" mit herrschaftlichen Rechten belegt war.

Ähnliches ist im Hochmittelalter auch im Raum Wien zu beobachten, wo es, sprachlich zwar nicht so deutlich abgegrenzt auch zu einer unterschiedlichen Rechtsbehandlung der Holz"arten" kam. So war den Wiener Bürgern das Holzsammeln im Wienerwald erlaubt, während das Schlagen von Bauholz ohne herrschaftliche Genehmigung streng verboten war.

Erst mit dem Übergang vom 13. ins 14. Jahrhundert erkannten die Landesherrn die mögliche Einnahme Quelle des niederqualitativen Holzes, welches vorwiegend für Zaun- und Gerätebau und als Brennholz Verwendung fand, und begannen das Klaubholz unter ihre Kontrolle zu stellen. Von nun wurde es von Angehörigen der herrschaftlichen familia gesammelt um dann auf den Märkten in Wien verkauft zu werden. Dazu brauchte es natürlich entsprechende Arbeitskraft und so kommen wir zu ihm: Niklas, dem Klaubholzsammler!


Man kann sich die Klaubholzsammler als einfache aus bäuerlichem Umfeld stammende Personengruppe vorstellen, welche im Auftrag ihrer hochfreien Herren Bruch- und Strauchholz aus den Wiener Wäldern herbeischaffte. Gerade bei harten Wintern dürfte diese Tätigkeit sich natürlich nicht ausschließlich im Herbst abgespielt haben. Vielmehr war während der gesamten Winterperiode ein durchgehender Nachschub an Feuerholz für den Raum Wien zu gewährleisten.

Niklas trägt hier einfache, aber voll wintertaugliche Kleidung aus Wolle: Kittel, Hosen, Gugel, Seidelmantel, Fäustlinge und Hut. Als Werkzeug führt er nur ein Handbeil und ein Messer mit sich, entsprechende Stricke zum Bündeln des Holzes dürfen natürlich auch nicht fehlen. Die Ausrüstung wird noch durch einen Wanderstock ergänzt,denn wozu der notwendig ist zeigte sich schon bei den ersten Gehversuchen auf dem vereisten Schnee bei mir im Garten.

Details:

Hier haben wir dann (von innen nach aussen) ein Unterhemd ohne Armkugeln mit engen Ärmeln in Leinen, eine Bruoch in Knielänge aus Leinen mit offenen Innenseiten, Hosen (Beinlinge) aus naturfarben, beiger Wolle mit Reseda überfärbt.
Als Schuhe hier Wendeschuhe gemäß einem Modell aus den Niederlanden, gegen Feuchtigkeit und Kälte mit Heu ausgestopft
Der Kittel ist ein ausgeblichenes Rotbraun, 3. oder 4. Zug Rotholz (glaub ich) auf beigebraun, gemäß der einfachen Darstellung ohne Knöpfe. Mit engen Ärmeln, im Brustbereich eng geschnitten und mit zartem Schlüssellochausschnitt.
Die Gugel ist resedagefärbter weißer Wollköper und der Hut walnussgefärbter Filz in klassischer erste Hälfte 14. Jhdt. Form.
Die Handschuhe sind aus naturgrauer Wolle nach einem skandinavischen Schnitt und der Mantel ist ein weiß-naturgrauer Fischgratköper, mit Reseda überfärbt und mit Knöpfen in Schulterbereich zu verschließen.
Der Gürtel ist eine Doppelfärbung Waid und Kreuzdornbeere auf vegetabilien Rindsleder, mit einfacher Schnalle und Riemenzunge aus Buntmetall. Daran hängt nur ein simples Messer und drin steckt eine handaxt (vermutbares Arbeitswerkzeug eines Holzsammlers. Ein Gertel wäre besser gewesen aber das hatte ich zum Fototermin nicht auffindbar verräumt )


An den Füßen hat der Niklas nämlich einfache Wendeschuhe aus Rindsleder und die Sohlen solcher Schuhe haben vor allem eines nicht: Profil! Auf glattem, eisigen Untergrund rutscht man ungemein und im unwegsamen Gelände des verschneiten Wienerwaldes wurde jede Anhöhe und jeder Graben ohne Wanderstock zum Abenteuer!


Zum zusätzlichen Widerstand gegen Schnee und Kälte wuden die Schuhe mit Heu oder Stroh ausgestopft. Dieses Maßnahme für warme Füße im Winter ist durch einen entsprechenden Textbeleg, beim Tanzen fliegt den Bauern das Stroh aus den Schuhen, gut dokumentiert. Ich habe meine Schuhe mit je zwei handvoll Heu versehen, so viel, dass sie gerade noch gepasst haben. Nach einer Stunde Wanderschaft war das Heu dann so verdichtet, dass die Schuhe wieder angenehm saßen und trotzdem eine warme und bequeme Isolierung zum gefrorenen Untergrund gegeben war. Mir war während des gesamten Vormittags nicht ein einziges Mal kalt in den Füßen! Zusätzlich nimmt das Heu auch die Feuchtigkeit auf die unweigerlich irgendwann durch die Nähte ins Schuhinnere dringt, als ich das Heu am Ende des Tages aus den Schuhen beutelte war es unten feucht während die obere Schicht und somit auch meine Hosen trocken geblieben waren.

Generell waren die paar Minusgrade bei der Windstelle im Unterholz überhaupt kein Problem, Leinenunterhemd (pfait) und Wollkittel hielten mich ausreichend warm und so konnte ich beim Arbeiten sogar den Mantel ausziehen ohne eine Unterkühlung auch nur ansatzweise befürchten zu müssen.


Der einzige wunde Punkt in der Kleidung war der Übergang von der Bruoche in die Beinlinge, denn bei der ständigen Bewegung rutschte die leinerne Unterhose hin und wieder schon mal aus den Hosen und musste dann energisch nachgestopft werden um mein zartes Gesäß nicht der Winterluft auszusetzen.

Der Kopf hingegen war mit der am Kopf eng anliegenden Gugel und dem Filzhut am besten geschützt und auch die Fäustlinge haben sich bestens bewährt. Trotzdem werde ich wohl noch ein weiteres Modell mit lederner Handfläche machen da das Wolltuch beim Holzbrechen doch einiger Belastung ausgesetzt war.

Alles in allem ein toller Tag! Und so möchte ich mit ein paar letzten Impressionen beschließen:

Klaubholzsammler unter sich
Ablängen der Transportseile
Ab nach Hause!

PS: Auch wenn es nicht glaubt, die Klaubholzerlaubnis für den Wienerwald war bis vor wenigen Jahren in Form des so genannten Klaubholzscheins noch immer von der Landesherrschaft, sprich der Regierung und den Bundesforsten, käuflich zu erwerben. Erst ein Paradigmenwechsel in der Waldbewirtschaftung führte zur Abschaffung dieses Relikts. Heute bleibt das Holz als Totholz im Wald und beheimatet die zahlreichen Nützlinge die unseren Wald bewahren. Dementsprechend haben auch wir unsere gesammelten Holzrequisiten im Wald belassen!